Für Fallbeispiele könnte man verschieden Strategien vorbereiten. Einmal habe ich hier schon darüber geschrieben. Grob es geht in diesem Thread darum immer ein Schema parat zu haben:
Notfall? Falls nein ⟾ Anamnese und im Anschluss körperliche Untersuchung
Hier in diesem Fallbeispiel ward ihr ja erstmal ganz frei in der Vorgehensweise und in dem Fall muss man ja nicht unbedingt allein über die Anamnese gehen.
Bei so einem "riesigen" Symptom wie Müdigkeit, würde ich empfehlen die Fragen der Anamnese an die Differentialdiagnosen zu koppeln. Ich mache das beispielhaft unten. Ihr könnte sehen, dass ihr mit dieser Methode immer den Überblick behaltet und ganz klar habt, ob ihr nach dieser oder jener Erkrankung schon gefragt habt und könnt euch die Antworten das AA auch besser merken, weil ihr immer die Erkrankung parallel dazu "abhandelt".
(Hier nebenan läuft übrigens gerade ein Übungsbeispiel. Man übt hier die DDs zu Müdigkeit aufzuzählen und soll zu den jeweiligen Erkrankungen die anderen möglichen Symptome schreiben. Eine super Wiederholung um zu sehen, wie parat man schon die klinischen Bilder verschiedener Erkrankungen hat.)
Wenn man nur fragt und fragt und fragt und fragt, kann man natürliche auch viele Erkrankungen abdecken, aber weiß nach zwei Minuten noch was der AA genau auf die Fragen geantwortet hat ? Vermutlich nicht...
Eine Möglichkeit auf das Fallbeispiel zu antworten wäre also:
"Die Patientin bekommt natürlich kein Medikament von mir bevor ich eine Diagnose stellen konnte.
Dafür möchte ich eine ausführliche Anamnese erheben und die Patientin im Anschluss gründlich untersuchen!
Sie könnte beispielsweise unter einer Anämie leiden. Alle Anämien gehen mit einem erniedrigten Hämoglobin einher.
Die häufigste Anämieform in unseren Breiten ist die Eisenmangelanämie. Durch den Eisenmangel hätte sie Symptome an Haut und Hautanhangsgebilden. Man könnte evtl. blasse Haut, blasse Schleimhaut, rissige brüchige Nägel, Löffelnägel, Haarausfall, trockenen Haut, Juckreiz von Haut und Schleimhaut, Lacklippe, Lackzunge und evtl. auch Mundwinkelrhagaden sehen.
Ihre Erythrozyten wären zu klein und zu wenig mit Hämoglobin beladen. Dadurch entsteht ein Sauerstoffmangel und man müsste die Patientin nach weiteren Symptomen fragen. Ich würde sie fragen ob sie an Abgeschlagenheit, Kopfschmerzen, Konzentrationsstörungen, Schwindel oder Ohnmachstneigung (Synkopen) leidet. Evtl. hätte sie auch Herzrhythmusstörungen bis hin zu Angina pectoris Anfällen und sicher außerdem Dyspnoe bei Belastung.
Falls die Anämie durch andere Ursachen als durch Eisenmangel entstanden ist hätte sie evtl. noch weitere Symptome, z.B. bei B12-Mangel Anämie: sensible/sensorische, motorische neurologische Ausfallerscheinungen."
So könnte man eine infrage kommende Erkrankung nach der anderen durchgehen. Der AA könnte sich alles anhören und manche geben dann gleich Antwort "nein, kein Schwindel/ja, Kopfschmerzen usw."Man hat dann genauso gefragt, aber die Fragen immer gleich an eine bestimmte DD gekoppelt und verliert so nicht so leicht den Überblick, weil man gleich mal grob überschlagen kann, ob die Erkrankung in Frage kommt oder nicht.
Falls man so nicht an die Lösung kommt (oder der AA von diesem Vorgehen nicht begeistert ist) müsste man natürlich ein komplettes Anamneseschema durchgehen. Aber das hättet ihr ja auch vorbereitet und könntet darauf genauso gut eingehen.
Allerdings verliert man damit ja leicht den Überblick was die Lösung des Fallbeispiels angeht, deswegen würde ich zumindest nicht freiwillig diesen reinen Anamneseweg einschlagen.
Vielleicht kommt man über die DDs schon gleich zu den Untersuchungen, wenn nicht (und auch grundsätzlich) braucht man eine Vorgehensweise für die Untersuchung.
Man muss dabei auch bedenken, dass man das wenigste wirklich "vormacht" in der Mündlichen. Man muss also wirklich alle Kleinigkeiten gut ausformulieren, damit der AA genau verfolgen und sehen kann, ob der Handgriff/Ablauf richtig ist.
Als erstes wäre es wichtig sich zu überlegen, welche Untersuchungen man wirklich bei JEDEM Patienten macht, unabhängig von den evtl. vorliegenden Erkrankungen. Das nennt man "Minimalstandard". Dieser wird dann bei begründetem anamnestischen Verdacht noch erweitert um die jeweiligen Untersuchungen für die Verdachtsdiagnosen.
Untersuchung Minimalstandard
1. Größe, Gewicht,
2. Puls und Blutdruck seitenvergleichend!
3. Allgemein-, Ernährungs-, Kräftezustand
4. Hautfarbe, Hauttugor (Spannungszustand)
5. Inspektion Mundhöhle und Rachen
6. Lymphknoten (alle Lymphknotenstationen kennen!)
7. Schilddrüse
8. Herz und Lunge auskultieren, Lunge perkutieren
9. Abdomen im STEHEN UND Liegen inspizieren
auskultieren, perkutieren, palpieren
10. Kratzauskultation der Leber
11. Milzgröße bestimmen
12. Inspektion von Unterschenkeln und Füßen (Sohle, Zwischenzehen)
Bei unserem Fallbeispiel hätte man sagen können: "
Bei jedem Patienten führe ich eine Standarduntersuchung durch, die ich um weitere nötige Untersuchungen ergänze. Die Patientin muss sich dafür bis auf die Unterhose ausziehen und dann untersuche ich:...."
Damit hätte man auch die Fragen des AA beantworten können, er hat immer wieder gefragt "was macht ihr, was macht die Patientin?". Er wollte unter anderem hören, dass sie sich ausziehen muss, dieses Detail wollte er auf seiner Prüfungscheckliste abhaken. Dieser AA ruft während der Prüfung oft aus "DIAGNOSEN WERDEN NICHT IM ANGEZOGENEN ZUSTAND GESTELLT!". Außerdem wollte er explizit hören, dass man immer auch die Füße inspiziert. Wenn man das beides Ausziehen/Füße nicht explizit erwähnt, kann der AA ja nicht ahnen, dass man das tatsächlich so macht.
Noch ein wichtiger Tipp:
Wenn man in der Prüfung gebeten wird die Untersuchungen am AA selbst durchzuführen, muss man ihn genauso behandeln wie einen Patienten. Man müsste fragen, wo am sich die Hände desinfizieren kann und muss zumindest sagen, dass er sich dafür vollständig entkleiden müsste. Also bitte keine Stethoskop auf das Hemd auflegen usw....
Mit all den Tipps aus diesem Beitrag seid ihr fast schon bestens auf schwierige Fallbeispiele vorbereitet. Jetzt muss man das nur auswendig parat haben und natürlich gemeinsam im Kurs üben und anwenden...
Habt ihr denn noch Fragen? Ist bei euch noch was offen geblieben?